13.03.2014 Vortrag: Gottesgabe – Teufelszeug

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Gottesgabe, Teufelszeug – Sprüche über den Wein
Richard Maier
Beitrag beim Dämmerschoppen der Pollinger Wein GbR am 13. März 2013

Es gibt eine Unzahl von Sprüchen rund um den Wein.
Da sind sehr gängige, bekannte, z.B.
– „In vino veritas. – Im Wein liegt Wahrheit.“ (Alkäus von Mytilene, 600 v. Chr).
– „Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang, der bleibt ein Thor sein Leben lang.“
(Martin Luther)

Ich spreche nicht von Aphorismen, denn darunter versteht man eine durchdachte,
abschließende und wirklich erhellende Aussage zu einem Begriff.

Stil und Aussage der Sprüche, die ich heute meine, sind nicht selten einfach, meistens sogar platt oder deftig (auch Goethe war davor nicht verschont!), aber griffig, leicht zu verstehen, gereimt oder ungereimt, oft durchaus von Unterhaltungswert. Ihr Ursprung ist entweder unbekannt oder dem sog. Volksmund zugeordnet, stammen aus griechischen oder römischen Quellen bis hin zur Bibel, zu Luther, Goethe, Schiller und anderen Schriftstellern und Dichtern.

Bei meinem letzten Beitrag (über den Messwein) habe ich am Beispiel von Lukas, Kap. 7, Vers 33 und 34 erwähnt, dass die Leute meist gleichermaßen respektlos urteilen, ganz egal ob sich jemand des Weins enthält (wie Johannes d. T.) oder ob er Wein trinkt (wie Jesus). Man kann es halt den Leuten nie recht machen, das Urteil ist geteilt.

Heute will ich nicht die Wein trinkende Person in den Vordergrund stellen, sondern das Konsumgut Wein und dessen Einordnung und Wertung in Wein-Sprüchen. Um es vorweg zu sagen:
Hier gibt es – wie sollte es anders sein – natürlich auch den vorher erwähnten Kontrast: Die einen betrachten den Wein als Gottesgeschenk, die anderen eben als Teufelszeug.

Der Versuch, die Sprüche inhaltlich etwas zu gruppieren, muss zwangsläufig scheitern, weil die Themen und Bezüge viel zu vielschichtig sind. Trotzdem habe ich mich entschlossen, fünf thematische Schwerpunkte zu bilden:

Als 1. Schwerpunkt muss man unbedingt den Inbegriff des Weins, nämlich Bacchus erwähnen. Er nimmt einen wichtigen Platz ein. Bacchus war ja ursprünglich die lateinische Form von Bakchos (griechisch Βάκχος), einem Beinamen des Dionysos, des Gottes des Weines und des Rausches in der griechischen Mythologie. In der nachantiken Auffassung wurde Bacchus zum Weingott schlechthin. Viele große Meister der Malerei haben Bilder von Bacchus geschaffen, darunter Leonardo da Vinci, Michelangelo und Tizian.

Beispiele für die Verherrlichung der Gottheit:
– „Vivat Bacchus, Bacchus lebe, Bacchus, der den Wein erfand
(Entführung aus dem Serail (Mozart, Uraufführung 1782), Text von Johann Gottlieb Stephanie d. Jüng. (1741-1800)
– „Wundervoll ist Bacchus‘ Gabe, Balsam fürs zerriss’ne Herz!
(Friedrich v. Schiller, 1759-1805, Das Siegesfest)

Wahrheit steckt in dir, o Wein!
Wie will der denn scheltbar sein,
der, die Wahrheit zu ergründen,
sich beim Bacchus viel lasst finden?
(Friedrich von Logau, dichter des Barock, 1605-1655)

Der Nutzen des Weins kann der Kraft der Götter gleichgesetzt werden.
(Plinius, römischer Schriftsteller, 23-79 n. Chr.)

Schließlich stellt ja auch ein Textstück aus dem Lied der Pollinger Weinerer diesen Bezug her, indem man den Wein Göttertrank nennt und wünscht: Der Herrgott mög‘ ihn segnen!

Dass man bei Sprüchen mit Bezug auf Bacchus negative Urteile suchen muss, ist wohl klar. Aber auch solche findet man. Nüchtern und kritisch, ja vorwurfsvoll und verächtlich äußert sich ein amerikanischer Schriftsteller, in ‚Des Teufels Wörterbuch‘: nämlich Ambrose Gwinnett Bierce (1842-1914)
– „Bacchus – Nützliche Gottheit; von den Alten als Ausrede für einen guten Rausch erfunden“.

Da halten wir es schon eher mit der Volksmund-Weisheit, die auch eine weitere Gottheit einbezieht:
– Wo Bacchus das Feuer schürt, sitzt Frau Venus am Ofen. (Volksmund)

Damit bin ich schon beim 2. Schwerpunkt. Er hat– wie sollte es anders sein – die Liebe zum Thema.

– „Wo der Wein fehlt, da stirbt der Reiz der Venus, da ist der Himmel der Menschen wüst und freudlos“ (Euripides, 480 – 406 v. Chr., griech. Tragiker )
– Interessant auch die Feststellung: „Wein ist Gottes zweitbestes Geschenk an den Mann“. (Wieder von Ambrose Bierce (1842-1914), amerik. Schriftsteller u. Journalist)
– oder: „Ohne Wein und ohne Weiber, hol‘ der Teufel uns’re Leiber!“ (J. Wolfgang v. Goethe, 1749-1832)

Weil die große Mehrzahl der Sprüche direkt oder indirekt die Liebe thematisiert, gehe ich gleich zum nächsten Punkt:

Ein 3. Schwerpunkt stellt alltägliche, ja sogar praktische Einsichten in den Vordergrund:
François Mauriac, 1885-1970, Schriftsteller und Nobelpreisträger 1952, Begründer der sog. Linkskatholischen Soziallehre) hat natürlich seine eigene berufsbedingte Sichtweise:
„Das Geräusch des Korkens erinnert mich an das Hochgehen des Vorhangs bei einer Premiere, wenn nur Gott allein weiß, was uns da erwartet.“

Der große Shakespeare war es, der ganz alltagsnah und folgerichtig feststellte:

Wer Wein gut trinkt, schläft gut.
Wer gut schläft, sündigt nicht.
Wer nicht sündigt wird selig.
Wer also gut Wein trinkt, wird selig.

Oder Wilhelm Busch:

Wer als Wein- und Weiberhasser jedermann im Wege steht,
der esse Brot und trinke Wasser, bis er daran zugrunde geht.

Daß Gott hat b´schert für´s Menschen Leib,
den Wein, daß er sein Sorg vertreib,
das Herz erquick und fröhlich mach,
das ist der Grund der ganzen Sach. (Johann Rasch, 1540-1612, Geistlicher in Wien)

Der liebe Gott hat nicht gewollt,
dass edler Wein verderben sollt,
drum hat er auch zum Saft der Reben
den nötigen Durst dazu gegeben. (Johann Wolfgang von Goethe)

Man hat auch andere Sprüche oft sehr banal auf das Thema Wein umgemünzt. Die Zeitung ‚Der Rheingauer‘ gab sich besonders literaturbeflissen und wandelte den bekannten Spruch des Philosophen Friedrich Nietzsche (1893 in „Also sprach Zarathustra“) „Du gehst zum Weib? – Vergiss die Peitsche nicht!“ in den ach so nützlichen Ratschlag um: „Wenn du zum Weine gehst, vergiss den Korkenzieher nicht.“ Bei uns ist das ja ohnehin nicht relevant, denn wir haben ja den besten Korkenzieher, nämlich Ludwig Wittmann.

Dem Volksmund zugeschrieben wird die lapidare Feststellung:
Stört dich beim Arbeiten der Wein,
dann lass das Arbeiten einfach sein.

Oder auch:
Alter Wein und junge Weiber,
das sind die besten Zeitvertreiber

Es gibt auch Wendungen, die im gesellschaftlichen Alltag immer wieder auftauchen, z.B.
Wasser predigen, aber selber Wein trinken! (d.h. Zumutungen an die Masse, Privilegien für die Regierenden)
Alter Wein in neuen Schläuchen! (d.h. Alte Zustände in nur neuer Verpackung / Etikett
Endlich reinen Wein einschenken! (d.h. die Wahrheit sagen, nichts verdünnen und panschen)

Als 4. Schwerpunkt habe ich Sprüche entdeckt, die den Christenmenschen (sein Verhältnis zu Gott und zum Wein) betreffen, meist sind sie unbekannten Ursprungs:

Gott lieben macht selig,
Weintrinken macht fröhlich,
drum liebe Gott und trinke Wein,
so wirst du selig und fröhlich sein. (Unbekannt)

Ähnlich wie vorher Shakespeare entwickelte man auch folgende Gedankenkette:
Wer Wein trinkt, wird fröhlich.
Wer an Gott glaubt, wird selig.
Wer an Gott glaubt und den Wein,
der wird fröhlich und selig sein. (Unbekannt)

Ganz befreiend klingt die folgende Feststellung:
Das Wasser gibt dem Ochsen Kraft,
beim Menschen ist’s der Rebensaft,
drum danke Gott als guter Christ,
dass Du kein Ochs geworden bist. (Unbekannt)

Eigenartige Unterschiede im Denkansatz zeigen sich in folgenden Sentenzen:
– Gott schuf nur das Wasser, aber der Mensch schuf den Wein (Victor Hugo, 1802-1885, ein französischer Schriftsteller)
– Bier ist Menschenwerk, Wein aber ist von Gott! (Martin Luther, 1483-1546)

Mein 5. Schwerpunkt bezieht sich auf Sprüche, die sich unter Bezug auf eine Religion zum Thema Wein äußern:
Wenn du guten Wein genießt – du Gott ins Antlitz siehst (Zisterzienser-Spruch)

Unser Goethe, dessen Einstellung wir längst kennen, lässt im Schenkenbuch des „Westöstlichen Divan“ sagen:
„Ob der Koran von Ewigkeit sei? – Darnach frag ich nicht!
Ob der Koran geschaffen sei? – Das weiß ich nicht!
Daß er das Buch der Bücher sei – Glaub ich aus Mosleminen-Pflicht.
Daß aber der Wein von Ewigkeit sei – Daran zweif’l ich nicht.
Oder daß er vor den Engeln geschaffen sei, ist vielleicht auch kein Gedicht.
Der Trinkende, wie es auch immer sei, blickt Gott frischer ins Angesicht.“

Mahnend, und damit fast als Teufelszeug einordnend, erhebt Jesaja das Wort:
„Weh denen, die des Morgens früh auf sind, des Saufens sich zu fleißigen, und sitzen bis in die Nacht, dass sie der Wein erhitzt, und haben Harfen, Psalter, Pauken, Pfeifen und Wein in ihrem Wohlleben und sehen nicht auf das Werk des Herrn und schauen nicht auf das Geschäft seiner Hände!“ (Jesaja 5, 11-12)

Der Islam poltert deutlicher:
„Wein und Glücksspiel und Götzenbilder und Lospfeile sind ein Gräuel, ein Werk Satans. So meidet sie allesamt, auf dass ihr Erfolg habt. Satan will durch Wein und Glücksspiel nur Feindschaft und Hass zwischen euch erregen, um euch so vom Gedanken an Allah und vom Gebet abzuhalten.“ (Sure 5,90-91)

Dass im Christentum der Wein durchaus seinen Platz hat, haben wir schon verschiedentlich erfahren (Psalmen, Altes Testament, Symbolik, Riten…).

Eine Wendung der besonderen Art und des besonderem Bezugs zu Gott steht im Johannes-Evangelium: „Sie haben keinen Wein mehr“. Maria, die Mutter Jesu, macht mit diesen Worten ihren Sohn auf einen unerfreulichen Zustand bei der Hochzeit zu Kana aufmerksam. Mir macht dieser Ausspruch Maria sehr sympathisch; sie hat also einen Blick für Wesentliches, und – wie wir aus dem Evangelium wissen – sie holt sich mit diesem Hinweis sogar einen harschen Rüffel von ihrem Sohn ein. Dass Jesus dann, als seine Stunde gekommen war, das bekannte Weinwunder als erstes öffentliches Zeichen wirkte, ist sehr tröstlich. Aber schließlich kannte ja auch Jesus die einschlägigen Verheißungen der Psalmen und Propheten.  Z.B. des Psalms 104:5  [„und Wein, der des Menschen Herz erfreut“] und Jesaias Vers 25.6 [„Und der HERR Zebaoth wird allen Völkern machen auf diesem Berge ein fettes Mahl, ein Mahl von reinem Wein, von Fett, von Mark, von Wein, darin keine Hefe ist.]

Auch Paulus gibt seinem Kollegen Timotheus (1. Brief Timotheus, Kap. 5, 23) einen wohlgemeinten Rat: „Trinke nicht mehr nur Wasser, sondern nimm ein wenig Wein dazu um des Magens willen und weil du oft krank bist“.

Und auch der Merkspruch der Weinbruderschaft orientiert sich ja an einer religiösen Quelle (Buch Sirach 31.34 (ca. 175 v.Chr.) „Der Wein ist geschaffen, dass er die Menschen soll fröhlich machen“. Ich beziehe bei dieser Quelle noch einige Zeilen vor und nach dieser Stelle ein, weil sie durchaus nützliche Hinweise für den richtigen Weinkonsum enthalten: Hier sei – wegen der drastischeren Ausdrucksweise – die Version von Luther verwendet.

30 Sei kein Held beim Weinsaufen; denn der Wein bringt viele Leute um. 31 Das Feuer prüft den Stahl, wenn er in Wasser getaucht ist; so prüft der Wein die Mutwilligen, wenn sie in Streit geraten. 32 Der Wein erquickt die Menschen, wenn man ihn mäßig trinkt. 33 Und was ist das Leben ohne Wein? 34 Denn er ist geschaffen, dass er die Menschen fröhlich machen soll. 35 Der Wein, zu rechter Zeit und in rechtem Maß getrunken, erfreut Herz und Seele. 36 Aber wenn man zu viel davon trinkt, bringt er Herzeleid, weil man sich gegenseitig reizt und miteinander streitet. 37 Die Trunkenheit macht einen Narren noch toller, 38 bis er strauchelt und kraftlos hinfällt und sich verletzt. 39 Schilt deinen Nächsten nicht beim Wein und verachte ihn nicht, wenn er lustig wird. 40 Gib ihm keine bösen Worte und dränge ihn nicht, wenn er dir etwas zurückzuzahlen hat.

In der Bibel wird in Bezug auf Wein immer der besonnene und mäßige Verbrauch angemahnt. Und sehr tröstlich ist meine Erkenntnis, dass Wein weitaus mehr als Gottesgabe als als Teufelszeug angesehen wird.

Ganz zum Schluss ein Gedicht, ja fast ein Gebet. Es ist absolut gottbezogen und trotzdem eher frivol. Angeblich ist es in eine Ofenkachel im Schwabenland eingebrannt:

„Der Gott, der die Berge begipfelt,
Der Gott, der die Buben bezipfelt,
Der Gott, der die Mädels gespalten,
Der Gott mög‘ den Wein uns erhalten.“

Ihr müsst jetzt nicht ‚Amen‘ sagen, eher ‚Zum Wohl‘ – Ich danke für’s Zuhören.

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