10.09.2014 Vortrag: Gehört Schwefel in den Wein?

… oder: Wer ist für das Kopfweh zuständig?

Vorbemerkung:

Als Weingenießer möchten wir den Göttertrank Wein möglichst naturrein, klar, im gewünschten brillanten Farbton, mit einem spritzigen, blumigen oder fruchtigen Bukett, mit höchst angenehmen und anhaltenden Geschmacksnoten verkosten.

Da denken wir nur ungern an chemische Substanzen und sonstiges „Teufelszeug“ in unserem geliebten Rebensaft. Es kommt recht selten vor, aber spätestens dann, wenn sich Kopf oder Magen Tags drauf unangenehm melden, werden spontan und sehr bestimmt Schuldzuweisungen ausgesprochen, die oft aus der „Magengegend“ kommen (weil man`s halt so weiß) aber mit den tatsächlichen Ursachen meist wenig oder gar nichts zu tun haben. Als Hauptverdächtigter wird meist der Schwefel genannt. Pech und Schwefel riechen ziemlich übel und sind bei den drohenden Höllenqualen angeblich wichtige Beigaben. Deshalb müssen sie wohl mit dem unangenehmen Brummschädel oder dem verkorksten Magen etwas zu tun haben.

Es erscheint uns deshalb wichtig, in der gebotenen Kürze Wahrheitskunde vermitteln, wo doch die sprichwörtliche Wahrheit im Weine liegen soll.                                                                          Dazu stellen wir uns 9 Fragen, lassen Experten darauf antworten und folgern daraus für uns eine These.

Frage 1: Bereits im Weingarten wird „haufenweise“ Schwefel gespritzt, dann muss auch im Wein noch gehörig viel davon drin sein!

Antwort:

In der Tat ist die Weinrebe im Weingarten von vielen pflanzlichen und tierischen Schädlingen bedroht. Will der Winzer möglichst gut ausgebildete, unverfaulte Reben ernten, muss er seine Rebpflanzen vor diesen Schadursachen möglichst effektiv, zugleich schonend und rücksichtsvoll schützen.

1845 wurde ein aus Nordamerika stammender Pilz nach Europa eingeschleppt, der Teile der Rebe mit einem weißen Schimmelbelag überzieht (Mehltau – Oidium Uncinula necator). Die betroffenen Beeren bleiben in ihrer Entwicklung zurück, springen auf und verkümmern.

Die gottesfürchtigen Winzer gingen erst wallfahrten, damit von „höherer Stelle“ der Pilzkrankheit Einhalt geboten wird. Dazu ist uns aus Südtirol überliefert:

Uralt ist darum der Brauch und die Sitte
mit Kreuzen und Fahnen und inniger Bitte
um Schutz vor Wolkenbruch, Schauer und Frost,
vor allerhand Disel, Schimmel und Rost,
vor Jausch und Blattfall, Padillen und Läus
und vor dem elendigen Gossengeschmeiß,
den Zullen und anderen Teufelsbraten
wallfahrten zu gehen, recht weit und recht hoch
zum Beispiel von Gratsch auf das Vigiljoch
So pilgern die Bauern auf steilen Wegen
zum Himml aui, dem Hergott entgegen,
um ihm ihre Anliegen in diesen Sachen
recht anschaulich und recht dringlich zu machen.

An einen Erfolg musste man schon innig glauben, sehen konnte man ihn leider nicht.

Bis schließlich die Winzer die Erfahrungen englischer Botaniker nutzten und mit der Schwefelbestäubung begannen. Lange mit Blasbälgen und ohne Atemschutz, ehe die motorisierten Bestäubungsgeräte auf den Markt kamen.

Heute ist der Einsatz sämtlicher Pflanzenschutzmittel strengen Regularien unterworfen. Die Mittel müssen von den staatlichen Behörden zugelassen sein und dürfen die vorgeschriebenen Höchstmengen und Anwendungen nicht überschreiten.

Der Ausdruck „haufenweise“ hat sich damit schon als unzutreffend erledigt.

Aktuell werden sowohl im herkömmlichen wie auch im ökologischen Weinanbau Schwefelpräparate „Netzschwefel“ oder Microthiol bei Mehltau und Asulfa, Sufran, Thiovit gegen Blatt- und Kräuselmilben eingesetzt. Lange Wartezeiten (Einsatz vor und kurz nach der Blüte) sollen den Eintrag bei der späteren Ernte und der Weinherstellung verhindern.

Es gibt auch Schwefel-Ersatzmittel, diese sind offensichtlich problematischer und daher beim ökologischen Weinbau nicht erlaubt.

 

Frage 2: Im Wein ist aber „Schwefel“ enthalten. Woher kommt der dann?

Antwort: Wenn man vom Schwefel im Wein spricht, meint man damit das Schwefeldioxid SO2 bzw. das in wässriger Lösung gebildete Sulfit und nicht das Schwefelpulver („Netzschwefel“ oder Microthiol, Asulfa, Sufran, Thiovit) aus der Bestäubung.

Aufgabe von SO2 ist insbesondere,

  • Traubenmost und Wein vor Oxidation zu schützen,
  • das erwünschte Zusammenspiel mit dem ph-Wert, also der Summe aller Säuren im Wein, die den vielfältigen bakteriellen Angriffen ausgesetzt sind, zu bewahren
  • die geruchlichen Nebenprodukte bei der Gärung zu binden.

SO2 wird dem Most heute nach Bedarf, also je nach Qualität der Trauben und der Art des eingesetzten Hefestammes aus handelsüblichen Druckgasflaschen als Gas, in flüssiger Form oder in Form von Tabletten (Kaliumdisulfit), also leicht dosierbar zugesetzt.

Frage 3: Der Einsatz von Schwefeldioxid ist sicherlich eine Folge der „industriealisierten“ Kellertechnik?

Antwort: Bereits im antiken Griechenland war die konservierende Wirkung von „Schwefelrauch“ im Wein bekannt. Der schlechte Ruf, den die „Schwefelung“ des Weins trotzdem begleitet, stammt von heftigen Überdosierungen, die es zweifelsfrei gegeben hat. Kaiser Maximilian I., ein bedeutender Förderer der Wissenschaft und Künste erlaubte um 1500 herum die Schwefelung von Wein, schrieb aber zugleich den ersten Grenzwert in der Geschichte des Weines vor.

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts unterliegt der Einsatz von SO2 zunehmenden Beschränkungen der zulässigen Höchstwerte. Dies war nur möglich, weil durch die verbesserte technische Ausstattung der Kellereien und durch neues önologisches Fachwissen das SO2 gezielter und sparsamer eingesetzt werden konnte.

Heute sind die Höchstmengen des Gesamtschwefelgehaltes im Wein für alle EU-Länder gesetzlich vorgeschrieben:

  • Bei trockenen Weinen zwischen 160 und 260 mg/l
  • Bei edelsüßen Weinen zwischen 300 und 350 mg/l
  • Und bei Süßweinen liegt der Höchstwert bei 400 mg/l

Bei der Herstellung von BIO-ÖKO-ORGANIC Weinen gelten laut EU VO 889/2008 niedrigere Grenzwerte:

  • 100 mg/l bei Rotweinen mit bis 2 g Restzuckergehalt je L                 120 mg/l bei Rotweinen mit bis 5 g Restzuckergehalt je L
  • 150 mg/l bei Weiß- u. Rose`weinen bis 2 g Restzuckergehalt      170 mg/l bei Weiß- u. Rose`weinen bis 5 g Restzuckergehalt        220 mg/l bei Weiß- u. Rose`weinen üb. 5 g Restzuckergehalt
  • Bei allen anderen Weinen wird der max. SO2-Gehalt um 30 mg/l verringert.

 

Frage 4: Und wo liegen die Werte der Weine unserer Meraner Kellerei?

Antwort: Erfreulicherweise im Bereich der Ökoweine! So z.B.

  • St. Valentin………………………95 mg/L Gesamtsulvitgehalt
  • Lagrein……………………..……..90 mg/L               dto.
  • Cabernet-Merlot (KH)……..85 mg/L               dto.
  • Chardonnay………….………….115 mg/L               dto.

Schriftliche Auskunft der Meraner Kellerei vom 09.09.2014

Das ist Anlass genug, um auf unseren Kellermeister Stefan Kapfinger mit einem guten Meraner anzustoßen!

Frage 5. Ist Schwefel gesundheitsschädlich?

Antwort: Dazu bedarf es zum Verständnis noch einer Erklärung: Beim Gesamtschwefelgehalt im Wein unterscheidet man zwischen gebundenen und freiem Schwefel.

Gebundener Schwefel hat mit den Inhaltsstoffen wie Acetaldehyd reagiert. Er neutralisiert dieses Acetaldehyd, das durch den Kontakt von Alkohol und Sauerstoff entsteht und dem Wein einen unangenehmen Alterston verleiht. Dieser gebundene Schwefel ist im Geschmack und Geruch nicht wahrzunehmen und hat keinerlei gesundheitliche Folgen.

Freier Schwefel ist als freie schweflige Säure oder in Salzform (Sulfit) im Wein vorhanden. Wenn der Wein zu stark geschwefelt wurde, ist es dieser freie Schwefel, der sensorisch wahrnehmbar ist und gesundheitliche Beschwerden hervorrufen kann.

Die zunehmende Beschränkung des SO2-Gehaltes im Wein erfolgte vor allem aus toxikologischen Erwägungen. Die sachliche Rechtfertigung weiterer  SO2-Reduzierungen ist im Gesamtzusammenhang des Ernährungshaushaltes im menschlichen Körper zu sehen. Im menschlichen Körper werden durch den Abbau von Nahrungseiweißen pro Tag 2000 mg SO2 gebildet, die enzymatisch zu Sulfat umgewandelt und als solches mit dem Urin ausgeschieden werden.

Der tägliche Konsum einer Flasche Wein mit durchschnittlich 100 mg SO2 erhöht die natürliche Umsetzung von SO2 im Körper nur um 5%, woraus sich kaum toxikologische Probleme ergeben sollten. Mit großer Sicherheit ist dies jedenfalls nicht für ein Unwohlsein am Folgetag verantwortlich.

Trotz alledem bemüht sich ein guter Kellermeister, den Gehalt an schwefeliger Säure weitgehend zu minimieren. Er muss dabei die Gärbedingungen bestmöglich optimieren. Dazu gehört eine adäquate Nährstoffversorgung der Hefe, eine optimale Temperaturführung während der Gärung, die Vermeidung unterschwelliger Nachgärungen, der Verzicht auf Schwefelung vor der Gärung. Auf diesem Wege können im günstigsten Fall Weine erzeugt werden, deren freies SO2 mehr als 50% des gesamten SO2 beträgt, z.B. 25 mg/l freies bei 40 mg gesamten SO2.

Frage 6: Ich habe aber trotzdem Kopfweh! Woher kommt das?

Antwort: Wer Kopfweh nach Weingenuss erlebt, hat entweder zu viel Alkohol erwischt (und dazu geraucht) oder einen Wein getrunken hat, der zu wenig geschwefelt war (und/oder zu hohe ph-Werte aufwies) und deshalb Acetaldehyd und biogene Amine enthielt. An zu viel Schwefel liegt es nur selten.

 

Frage 7: Ich bin Allergiker, muss ich da besonders aufpassen?

Antwort: Es gibt Allergiker bzw. Menschen mit einer gewissen Intoleranz, die nach Weingenuss schnell Kopfschmerzen bekommen. Neuere Forschungen belegen, dass diese nicht vom Schwefel sondern von Histaminen stammen, das sind Eiweißabbauprodukte, die je nach Verarbeitung von Trauben und Wein im Keller im Wein enthalten sein können (aber nicht müssen!); auf sie reagieren entsprechende Allergiker prompt.

 

Frage 8: Kann man Weine auch ohne (freies) SO2 herstellen?

Antwort: („nach Radio Eriwan“) „Im Prinzip ja, ist aber sehr schwierig“: Dazu sind Hefestämme erforderlich, welche weniger als 10 mg/l SO2 bilden. Darüber hinaus sind die Gärbedingungen so zu gestalten, dass praktisch kein Acetaldehyd gebildet wird. Weitere Voraussetzung ist die für einen gewöhnlichen Winzerbetrieb nicht finanzierbare Technik des vollkommenen Luftabschlusses, Evakuierung aller Behälter, Leitungen und Maschinen mit Stickstoff, ferner gasdichte Schraubverschlüsse und a.m. Bei all dem ist das Verhalten bei sog. „Spontangärungen“ noch weitgehend ungelöst. Gleichwohl: önologische Forschungen befassen sich intensiv mit diesem Thema!

 

Frage 9: Früher gab es geheimnisvolle Hausmittel, mit denen der Wein geschönt wurde. Warum werden diese heute nicht mehr verwendet?

Antwort:  In der Tat, es gab hunderte dieser Hausrezepte. Ob sie alle geholfen haben, sollt Ihr selber einschätzen. Einige wenige davon seien hier dargestellt:

Daß sich der Wein nicht verkehre, breche oder streng werde:

  • Wann der Most vergoren hat, so hänge darein einen Samen, der heißt Millefolium oder Schafgarbe, und gueß Öl darauf, ist sehr gut.
  • Wollt ihr, dass der Wein sich nicht verkehre, so nehmet bittere Mandeln, thut sie in ein klar Wasser, scheelet sie, und schneidet sie klein, leget sie hernach in Wein, er verkehret sich niemahlen, sondern wird recht gut und dauerhaft.

Guten Einschlag machen: (Fässer ausräuchern):

  • Wollt ihr köstlichen Einschlag zu allerhand Weinen machen, so nehmet zwey Pfund Schwefel, stoßet ihn klein in einem Mörsel, thut hernach den Schwefel in einen Topf, gießt viel Wasser daran, und lasst es einsieden, auf einer Stunde, seigets durch ein kleines Sieb, und lassts wieder trucken werden, darnach nehmet einen Tiegel, thut den Schwefel darein, und lasst es zergehen, dass es lauter werde, hernach ziehet ihn auf ein leinen Tuch, und nehmet nachfolgende Species: Als ein halb Loth Anis, acht Loth Viol-Wurzel, die recht weiß ist, vier Loth Muscaten-Blumen, vier Loth langen Pfeffer, sechs Loth weissen Weihrauch, zwei Loth Mastix, sechs Loth Paradiß-Körner, stosset die Species alle untereinander, und wenn ihr den Schwefel ziehet, weil er noch warm ist, so streichet die Species auf das mit Schwefel bezogene Tuch.

Wenn du nun ein Fass damit bereiten willst, so kehre das Fass unter sich, zünd einen Spahn an, wie man pfleget den Fässern Einschlag zu geben, ist das Fass groß, so kann man wohl 3 Spähne nehmen und einen nach dem anderen im Fass ausbrennen lassen. Hernach vermache das Fass wohl, daß kein Rauch heraus komme, richte es auf  und lasse es knastern.

Daß der über Land geführte Wein die Farbe behalte:

  • Nehmt ein Ey, das laß harte sieden, hernach scheele es, und hängs in das Fass, so bleibet der Wein, und magst ihn wohl über Land führen.

Wie man schwere, unreine, stinkende und verdorbene Weine wieder zurechte bringen kan:

  • Nehmet das Weisse von Eyern, zerschlagets wohl mit Saltze, giesset es in den Wein, und schlaget ihn sehr, so kommt er wieder zu ihm selber in 3 Tagen, lasset ihn ab, dass er vom Ey nicht schmeckend werde, so wird er gut.
  • Hebt der Wein an zu thonen, so machet einen Ballen aus trockenem Mehl, leget den in einem sauberen Tüchlein auf den Spund, so verändert sich der Wein nicht.

Wenn und wie man Wein verkauffen soll:

  • Wer Weine verkauffen will, der soll sich befleißigen, daß er ein schön lauter Gläßlein habe, darinnen der Wein eine schöne Farbe zeiget, und das soll geschehen, wann der Himmel klar ist, so ist der Wein an der Farbe und am Geschmacke am besten.

Daraus ergibt sich für uns die These 10:                                                                          Vertrauen ist gut, probieren ist allemal besser!

Also: Wir sehen heute im Weinkeller nicht, ob der Himmel klar ist. Wohl aber, ob der Wein in unseren Gläsern den 3 Sinnen tauge, nämlich Nase, Zunge, Auge. Und dass auch dem Ohr genug getan: Kommt stößt mit Euren Gläsern an!

Auf Eure Gesundheit mit den guten Meraner Weinen und unser gemeinsames Wohl!

Und Danke für die Geduld und Aufmerksamkeit!

Euer Weinbruder

Franz Vielhuber

 

Quellen: 
Was macht der Schwefel im Wein? Von Volker Schneider
Schwefel & Sulfite. www.weinhalle.de
Schwefel – der ungeliebte Konservierungsstoff, DLG
Pflanzenschutz im Weinbau. Staatl. Lehr- u. Versuchsanstalt Weinsberg, 2014
Vorschriften für eine ökologische Weinbereitung, Dr. Uwe Hofmann
Zugelassene Pflanzenschutzmittel für den ökologischen Wein- und Tafeltraubenanbau, Stand März 2011, von Dr. Uwe Hofmann
Vom Perglwerk zur Torggl, Matthias Ladurner-Parthanes, Algund, 1970.
„Der curieus- und offenhertzige Wein-Artzt“, verfasst im November 1752. Der Autor: E.L.W.